Wojciech Sztaba

Malerei OmU Theatrum picturaeStudioloWhat if we left realism behind? und andere Bilder

Fotografie AndelotDer Strom Klon Seiltänzer ∴ Über die Vielfalt der Welten oder Kaffeeplaneten

Zeichnung für Neckarsulm und andere Bilder

JACOB BIRKEN Dialoge über die Vielfalt der Welten

AusstellungsansichtWer einen Dialog führen möchte, muss mit seinen Partnern zuvor eine gemeinsame Sprache gefunden haben. Dass diesvor allem in den Fachsprachen – oder dort, wo Fachsprache und Alltagssprache aufeinandertreffen – ein Problem sein kann, zeigt der Fall des Planeten Pluto, der letztens in den Schlagzeilen auftauchte. Der Fall des Himmelskörpers kommt dabei dem Fall im religösen Mythos nahe – gefallen ist Pluto nämlich sehr wohl, wenngleich nur in seiner Klasse: nicht mehr ein Planet, sondern nunmehr ein Zwergplanet, eine etwas verschämte Kategorie der Himmelskörper, die vielleicht auch nur eigens erdacht wurde um dem statistisch degradierten Pluto eine Einordnung als Asteroid oder sonstiger Brocken zu ersparen. Planetarisch zu sein wird für Himmelskörper so zu einer Auszeichnung, vergleichbar dem akademischen Titel oder einem anderen Grad. Die Himmelskörper aber, die wir auf den Bildern von Wojciech Sztaba sehen, brauchen nicht auf diese Weise klassifiziert zu werden: es sind – der Name sagt es schon – Welten, um die es hier geht. Welten zeichnen sich nicht durch ihre Einhaltung astronomischer Formalitäten aus; sie sind nicht statistisch zu begreife, sondern gerade nur im Dialog – der nicht nur ein Dialog über sie, sondern auch einer mit ihnen sein kann, sein muss. Eine Welt ist mehr als ein Raum; sie umgreift ebenso alle Subjekte, die sie selbst wahrnehmen, definiert sich in dieser Wahrnehmung.

Was heißt aber: ein Dialog über die Vielfalt? Historisch – der Titel ist dem französischen Philosophen Fontenelle entlehnt – ist dies ein aufklärerischer Dialog, einer, der wegführen will von einem veralteten Weltbild – dem Bild einer einzigen Welt, die die Vielfalt ausschließt. Auch wenn die Vielfalt der Welten eine Neuerung gegen dem Geozentrismus darstellt – Fontenelles Werk landete auf dem Index – ist ihr Gedanke nicht fern von der alten Idee eines mundus archetypus, einer Welt der Urbilder, aus der sich die Vielfalt der Welten in unendlichen Iterationen entfalten kann. Den religiösen Aspekt beiseite gelassen, kommt dies dem künstlerischen nahe: wir können hier an die möglichen Welten der Literatur denke, die sich immer gemäß des Denkbaren – als Schauplätze unzähliger Erzählungen erschaffen lassen. Nun geht es hier nicht um Erzählungen, sondern um Bilder: Bilder, die zuallererst als technische, vielleicht wissenschaftliche erscheinen; die Himmelskörper, die uns Wojciech Sztaba zeigt, sind lediglich mit einer Nummer und einem Datum versehen. Kein Name, keine weitere Narration bietet einen Ansatzpunkt, diese Welten zu lokalisieren, ihnen eine bestimmte Materialität oder Maße zu verleihen. Sie sind gewissermaßen in ihrem symbolischen Potential eines möglichen Himmelskörpers eingefroren, können Mond sein oder Planet oder gar eine Sonne. Das Datum erscheint so als die Bestimmung einer Iteration des mundus archetypus – an diesem Datum könnte eine Welt genau so aussehen; es ist die Welt dieses einen Datums.

Das Datum und die Idee des Potentiellen rücken die Bilder Wojciech Sztabas auf eine spielerische Weise in die Nähe der Astrologie; doch auch der Prozess ihrer Entstehung gemahnt an die Methoden der magischen Vorhersage, der Divination. Die Wirkung des Fremden, aber dennoch Möglichen der Welten ergibt sich aus ihrer ästhetischen Nähe sowohl zu wissenschaftlichen Aufnahmen wie denen Bildern der Kunst - wobei wir natürlich nicht vergessen dürfen, dass auch die wissenschaftlichen Bilder, wie wir sie kennen, nur durch Manipulation präsentabel werden. Sztabas Planeten sind aber nicht mit den Mitteln einer bereits zur Tradition gefrorenen malerischen Abstraktion hergestellt, noch sind sie digital generiert; sie führen uns vielmehr zurück auf den Boden der Tatsachen. Dieser Boden ist natürlich recht spezifisch; es ist der Boden des Kaffeesatzes, wie er sich täglich in den Tassen im Haushalt des Künstlers finden wird.

Hier findet nun die Divination mit dem Potentiellen der Wissenschaft zusammen – sind die Partikel des Kaffeesatzes schließlich nicht – innerhalb einer immer wiederkehrenden Versuchsanordnung – ebensolchen Gesetzen unterworfen, wie sie die Chaostheorie an Farnen und Fjorden festmachen wollte? Die bunten Fraktale der Chaostheorie erscheinen mittlerweile wissenschaftshistorisch wie ästhetisch überholt; Sztabas Bilder hingegen öffnen sich nicht nur der Spekulation des Betrachters, sondern sind im Kaffee gewissermaßen geerdet. Einer reinen Übung im Potentiellen trotzen sie hingegen dadurch, dass sie Arbeit, ein künstlerischer Akt sind; und ist nicht gerade der Kaffee – ob nun für den Künstler oder den Wissenschaftler – gerade das typischste Attribut der Produktivität?